Das Pendel schwingt, und das mittlere Management wird erneut zum Sündenbock im großen Experiment der flachen Hierarchien. Elon Musk lästert über „Manager, die Manager managen“. Mark Zuckerberg nennt sie „bürokratischen Ballast“. Satya Nadella lobt „schlanke“ Teams. Die Botschaft: Streicht die Mitte, kappt die Kosten – und Effizienz wird euch retten. Klingt eingängig, oder? Doch die Geschichte – die geduldige Lehrmeisterin – zeigt, dass die Mitte nie verschwindet. Sie kommt zurück. Denn das mittlere Management ist nicht Ballast, sondern das Gegengewicht, das Unternehmen stabil hält, wenn die Ambitionen überhandnehmen.

Der Kreislauf: Kürzen und Nachwachsen

Das kennen wir schon. In den 80ern war „Globalisierung“ das Zauberwort. CEOs kürzten mit Eifer mittlere Positionen. Effizienz schoss in die Höhe, Aktionäre jubelten – bis die 90er kamen und alles bröckelte. Ohne Mittelschicht wurden Firmen brüchig. Silos verhärteten sich, und oben stockte der Fluss. Anfang der 2000er: Die Rückkehr der Mitte – dringend benötigt, um Komplexität zu bewältigen. Bruce Bueno de Mesquita und Alastair Smith betonen in The Dictator’s Handbook, dass Macht immer auf Koalitionen beruht. Das mittlere Management bildet diese Koalition: Es vermittelt zwischen Vision und Umsetzung, übersetzt Ambitionen in Realität. Diese „Flachheits-Revolutionen“ sind nichts anderes als zyklische Moden, basierend auf der Illusion, dass das Mittlere entbehrlich ist. Tatsächlich ist es unverzichtbar.

Effizienz ist Mittel, nicht Zweck

Der Denkfehler: Effizienz wird wie ein Heiligtum behandelt. Doch sie ist nur Werkzeug, kein Ziel. Aristoteles würde vom Telos sprechen – dem höheren Zweck eines Systems. Unternehmen sollen Innovation fördern, Stabilität sichern oder schlicht überleben – das sind die echten Ziele. Musk und Zuckerberg verwechseln Effizienz mit moralischer Überlegenheit. Sie reduzieren komplexe Systeme auf Zahlen und Tabellen. Byung-Chul Han warnt vor dieser Obsession in Die Müdigkeitsgesellschaft: Wenn Menschen nur als Leistungseinheiten zählen, sterben Kreativität und Resilienz. Eine brüchige, überoptimierte Maschine bleibt zurück – eine Maschine, die schneller läuft, aber leichter zerbricht.

Lektionen aus Rom und Preußen

Wer nach Inspiration sucht, sollte die Geschichte betrachten. Das Römische Reich war nicht wegen seiner militärischen Stärke groß, sondern wegen seiner administrativen Meisterschaft. Präfekten, Prokuratoren und Zenturionen waren keine Bürokraten im abwertenden Sinn, sondern die Klammern, die ein Imperium zusammenhielten. Ohne sie folgte Chaos und Zerfall. Oder Preußen: Dort war es die Kombination aus Disziplin und flexibler Verwaltung, die Staat und Gesellschaft effizient und widerstandsfähig machte. Max Weber, der Vater der Bürokratietheorie, erkannte, dass gute Verwaltung Ordnung und Innovation ermöglicht. Gutes mittleres Management verhindert den Kollaps. Wer zu radikal kürzt, reißt oft die Wurzeln aus, die zukünftiges Wachstum stützen.

Kontrolliertes Feuer und Silicon-Valley-Hybris

Flache Hierarchien? Oft nur Ideologie im Gewand knallharter Pragmatik. Musk zündet „kontrollierte Feuer“ – Schichten abbrennen, Chaos schaffen und das Ganze als „Verschlankung“ verkaufen. Diese Methode, die in der disruptiven Rhetorik des Silicon Valley beliebt ist, funktioniert manchmal – stagnierende Systeme können ein radikales Umdenken brauchen. Doch der Rauch verzieht sich, und die Struktur wird neu aufgebaut, oft nicht schlanker, sondern nur anders. Selbst die „schlankste“ Organisation braucht Stabilität. Die Wahrheit: Wildfeuer mögen alte Bäume verbrennen, aber sie gefährden auch die Grundlage, auf der neues Wachstum gedeiht.

Bürokratie ist unvermeidbar – aber optimierbar

Wer glaubt, Bürokratie ließe sich abschaffen, lebt in einer Illusion. Bürokratie ist das Gerüst jeder Institution – sei es eine Regierung oder ein Unternehmen. Daron Acemoglu und James A. Robinson argumentieren in ihrem Buch Why Nations Fail, dass starke und gerechte Institutionen der Schlüssel zu Wohlstand sind. Sie betonen, dass Bürokratie in ihrer besten Form nicht nur Stabilität schafft, sondern Innovation fördert und langfristiges Wachstum ermöglicht. Die Kunst liegt darin, Überwucherungen zu beschneiden, ohne das tragende Gerüst zu zerstören. Gelegentliches Kürzen ist notwendig – aber nicht um jeden Preis.

Mittleres Management als Brücke

Das mittlere Management ist die Brücke zwischen Vision und Umsetzung. Es übersetzt Strategie in Praxis, verbindet Abteilungen, coacht Teams und sorgt dafür, dass der Betrieb läuft. Ohne diese Schicht bleibt die Vision des C-Suite eine Wunschvorstellung. Bruce Bueno de Mesquita und Alastair Smith erinnern uns daran: Machtstrukturen beruhen nicht auf Einzelpersonen, sondern auf Koalitionen. Das mittlere Management ist die entscheidende Koalition, die Organisationen am Laufen hält.

Die unvermeidliche Auferstehung

Wer den „Tod des mittleren Managements“ feiert, verwechselt ein Feuer mit einer Revolution. Effizienz allein ist nicht die Grundlage von Resilienz. Kultur, Kreativität und menschliches Kapital sind es. Das mittlere Management ist nicht Ballast – es ist das Rückgrat. Die Geschichte lehrt uns: Was flach gedrückt wird, steht wieder auf. Organisationen falten sich immer wieder neu. Der Kreislauf von Kürzen und Nachwachsen dreht sich weiter – so sicher wie der Sonnenaufgang.