Wie weit wir gekommen sind

User Experience (UX) Design hat einen langen Weg zurückgelegt. Was einst mit der Umsetzung funktionaler Anwendungen begann, hat sich mittlerweile zu Erlebnissen entwickelt, die Menschen tief miteinander verbinden. Dabei wurden jedoch auch oft auf Abkürzungen genommen, indem wir Heuristiken wie „kognitive Belastung reduzieren” oder „reibungsloses Erlebnis schaffen” oft zu einfach interpretierten, bloß weil sie gut klingen. Da digitale Erlebnisse immer subtiler und gleichzeitig wirkungsvoller werden, ist es an der Zeit, unsere Ansätze zu überdenken und zwar oft gut gemeinte, jedoch kontraproduktive Denkweisen im UX-Design zu hinterfragen.

Human-Centered Design: Eine starke Grundlage mit Potenzial zur Weiterentwicklung

Im Zentrum von UX steht das Human-Centered Design (HCD), eine von Don Norman geprägte Philosophie, die die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Nutzer ins Zentrum stellt. Dieser Ansatz hat dazu beigetragen, intuitivere und bedeutsamere Produkte zu gestalten. In der Praxis wird HCD jedoch manchmal allzu vereinfacht und von einigen Teams eher als Prozess zum Abhaken denn als Denkweise behandelt, was oft zu Designs führt, die nur oberflächlich auf die Nutzerbedürfnisse eingehen.

Auf der positiven Seite hat HCD Innovationen gefördert und geholfen, Produkte zu schaffen, die nicht nur funktional, sondern auch erfreulich sind. Um sein volles Potenzial auszuschöpfen, ist es wichtig, HCD konsequent und gewissenhaft anzuwenden.

Jakob Nielsens Heuristiken: Leitprinzipien, keine Regeln

Jakob Nielsens Usability-Heuristiken bieten Designern wertvolle Orientierung bei der Gestaltung intuitiver Schnittstellen. Prinzipien wie das Bereitstellen von Feedback und das Verhindern von Fehlern haben viele erfolgreiche Designs geprägt. Doch werden sie manchmal ohne den notwendigen Kontext oder die gebotene Flexibilität angewendet. Beispielsweise kann ein übermäßiges Bestreben, die kognitive Belastung zu reduzieren, dazu führen, dass Interaktionen vereinfacht werden, die eigentlich mehr Nuance oder Tiefe benötigen.

Nielsens Arbeit hat zweifellos die Qualität digitaler Erlebnisse verbessert und einen Standard für Usability gesetzt. In Zukunft können wir auf diesen Prinzipien aufbauen und sicherstellen, dass sie flexibel und bedacht auf neue Kontexte angewendet werden.

Erkenntnisse: Fortschritte und verpasste Chancen

Auch wenn das UX-Design enorme Fortschritte gemacht hat, bleiben wir in wichtigen Bereichen wie Barrierefreiheit und Inklusion hinter unseren Möglichkeiten zurück.

Barrierefreiheit und inklusives Design: Ein positiver Wandel, der noch nicht abgeschlossen ist

Der verstärkte Fokus auf Barrierefreiheit und inklusives Design ist ein Schritt in die richtige Richtung. Design für Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten hat nicht nur die Reichweite von Produkten erhöht, sondern auch das Erlebnis für alle verbessert. Funktionen wie Sprachsteuerung, größere Textoptionen und Untertitel, die ursprünglich für die Barrierefreiheit entwickelt wurden, sind mittlerweile im Mainstream angekommen.

Trotz dieser Fortschritte wird Barrierefreiheit jedoch oft als nachträglicher Gedanke behandelt statt als zentraler Designgrundsatz. Die Einhaltung von Standards wie den WCAG bleibt branchenübergreifend inkonsistent. Auch wenn das Bewusstsein gestiegen ist, müssen wir sicherstellen, dass Inklusion von Anfang an Teil des Designprozesses ist, statt als späte Ergänzung oder nachgelagerte Aufgabe behandelt zu werden.

Die Zukunft von UX: Weiterentwicklung mit Sinn

Mit Blick in die Zukunft ist es entscheidend, die neuen Herausforderungen durch aufkommende Technologien zu erkennen und gleichzeitig die Möglichkeiten zu feiern, die sie bieten.

KI und Personalisierung: Ein Balanceakt

Der Aufstieg von künstlicher Intelligenz (KI) und Personalisierung hat das Potenzial eröffnet, Erlebnisse auf eine Weise zu personalisieren, die vor einem Jahrzehnt undenkbar schien. Von personalisierten Content-Feeds bis hin zu KI-gestützten Empfehlungen können digitale Erlebnisse viel anpassungsfähiger werden. Doch dies wirft ethische und datenschutzrechtliche Fragen auf und verwischt verschiedene Grenzlinien. Es ist zunehmend unklar, wo Datenstrategie, Produktentscheidungen, Designüberlegungen und wissenschaftliche Modelle ineinander übergehen und welche Hierarchie des Einflusses herrscht.

Ethische Überlegungen: Verantwortung neben Innovation

Mit der zunehmenden Fähigkeit, Verhalten durch UX zu beeinflussen, steigt auch die ethische Verantwortung. Ethisches Design ist zu einem wichtigen Schwerpunkt in der UX-Community geworden, und dieser Trend ist ermutigend. Designer denken zunehmend kritisch über die potenziellen Folgen ihrer Arbeit nach, sei es die Transparenz in der Datennutzung oder die Vermeidung von Dark Patterns, die Nutzer zu Entscheidungen manipulieren.

Ethisches Design ist allerdings immer noch eine sich entwickelnde Praxis. Die Herausforderung besteht darin, diese Überlegungen in den Designprozess zu integrieren, ohne Kreativität und Innovation einzuschränken.

UX-Muster überdenken: Ein bewussterer Ansatz

Eine der Hauptaufgaben für UX-Designer wird es sein, einige der Standardmuster, die das Feld geprägt haben, neu zu überdenken. Wir müssen sicherstellen, dass Muster wie die Reduzierung von Reibung (Hürden und Widerstände) und kognitiver Belastung nicht als Selbstzweck dienen, sondern tatsächlich den Nutzern zugutekommen.

Die Rolle von Reibung im UX

Seit Jahren liegt der Fokus auf der Gestaltung nahtloser Erlebnisse. Diese Herangehensweise verbessert oft die Effizienz, doch es gibt Momente, in denen ein bewusstes Maß an Reibung das Erlebnis positiv bereichern kann. Ein zusätzlicher Bestätigungsschritt vor einer wichtigen Aktion oder detaillierte Informationen, wenn sie erforderlich sind, können Fehler verhindern und Vertrauen schaffen.

Das Ziel ist es, das richtige Gleichgewicht zwischen Effizienz und sinnvoller Interaktion zu finden.

Meta-UX

Je mehr Entscheidungen mithilfe digitaler Werkzeuge wie Chatbots oder personalisierter Empfehlungen getroffen werden, desto mehr prägen diese Tools unsere Meinungen und Lebensperspektiven. Es wird immer wichtiger, über verantwortungsvolles UX-Design nachzudenken.

Fazit: Die nächste Stufe von UX

Während sich das UX-Design weiterentwickelt, können wir stolz auf bisherige Fortschritte sein, aber auch erkennen, dass noch viele Herausforderungen vor uns liegen. Ob es darum geht, Barrierefreiheit konsequenter zu berücksichtigen oder die ethischen Fragen rund um KI anzugehen – die Zukunft des UX-Designs erfordert einen bewussteren, umfassenderen Ansatz.

UX lebt davon, Menschen zu verstehen, und dieses Prinzip wird uns durch die nächste Phase seiner Entwicklung leiten. Indem wir sowohl aus Erfolgen als auch aus Fehlern lernen, können wir eine Zukunft schaffen, in der Technologie das Leben der Menschen nicht nur unterstützt, sondern bereichert.